Geld oder Liebe?

Geld oder Liebe? Was unser Umgang mit Geld mit (Selbst-)Liebe zu tun hat


Geld oder Liebe – man muss sich entscheiden. So sagt es der Volksmund. Aber muss man das wirklich? Haben Geld und Liebe nicht mehr miteinander zu tun, als dass es nur entweder oder gibt?

Geld ist nicht alles. Noch so eine vermeintliche Volksweisheit, die Geld tendenziell eher negativ bewertet. Wie wäre es aber, wenn wir Geld als völlig neutral wahrnehmen würden? Geld wäre nicht schlecht, nicht gut, einfach da. Wie würde das unseren Umgang mit Geld verändern?

Wir laden Geld mit Gedanken und Emotionen auf

„Die finanzielle Seite des Geldes ist gar nicht so kompliziert. Es ist die emotionale Seite, die uns die ganzen Probleme bereitet.“ Yes, das trifft es auf den Punkt! Yvonne Senn ist Money Coach und empfängt mich mit diesem Statement auf ihrer Website. Ich will mehr erfahren und höre mir ein Interview mit ihr an, das sie im Podcast von Laura Malina Seiler gibt. Hier geht es darum, wie unsere Gedanken und Gefühle unseren Umgang mit Geld steuern können. Sie sagt, wir laden das Geld förmlich mit unseren Emotionen auf. Yvonne Senn hat ein spannendes Konzept aufgestellt: Sie vergleicht die Beziehung zu Geld mit der Beziehung zu einem Partner. Was sie damit meint und was ich für meinen Umgang mit Geld mitgenommen habe, möchte ich hier mit dir teilen.

Treat your Money like a lover

Yvonnes Konzept umfasst 6 Säulen. Es geht um Themen, Grundsätze und Werte, die das Fundament einer guten Partnerschaft bilden: Respekt, Empathie, Liebe, Aufmerksamkeit, Tuchfühlung, Experimentieren – abgekürzt: RELATE! Schon hier habe ich den ersten Aha-Effekt. Relate hat mit Beziehung zu tun. Egal ob die Beziehung zu einem Menschen, zu mir selbst oder zu Geld – es gibt immer Faktoren, die die Beziehung beeinflussen. Das Gute: Ich kann sie steuern. Schauen wir genauer in diese Faktoren rein.

1 Respekt: Respektvoller Umgang und Wertschätzung

Respekt ist für mich persönlich – neben Vertrauen – das A und O in einer Beziehung. Und zwar von Anfang bis Ende und kontinuierlich. Respekt heißt für mich Wertschätzung. Also meinem Gegenüber Akzeptanz entgegenzubringen. Ihm oder ihr zu vermitteln, dass er / sie wertgeschätzt wird. Was wir dabei oft vergessen: Auch mit uns selbst respektvoll umzugehen, nicht so kritisch und streng zu sein. Und uns selbst als wertvoll zu empfinden.

Yvonne transferiert das auf den Umgang mit Geld: Sie hat zum Beispiel festgestellt, dass jemand, der sich selbst nicht respektiert, auch häufiger Probleme mit Geld hat. Sätze wie „Es ist nie genug Geld da.“ oder „Ich will mich nicht mit Geld beschäftigen.“ sind negative Gedanken und Glaubenssätze, die wenig Respekt zeigen. An dieser Stelle lohnt es sich, achtsam zu sein und genauer hinzuschauen: Wie rede ich über mich? Wie rede ich über Geld? Gibt es da einen Zusammenhang? Was glaube ich über Geld? Will ich das so oder habe ich das einfach übernommen? Diese Glaubenssätze sind entscheidend für den Umgang, also unser Verhalten mit Geld. Werde dir bewusst darüber, wie du mit Geld umgehst und auch wie du über Geld redest. Würdest du so auch über deinen Partner reden?

2 Empathie: Mitgefühl, nicht Mitleid

Empathie heißt, mich in die Gefühle meines Gegenübers hineinversetzen zu können. Das heißt, seine oder ihre Gefühle nicht nur zu verstehen, sondern auch zu fühlen. Aber es heißt noch so viel mehr, wie ich feststelle. Yvonne spricht einen sehr wesentlichen Punkt an: Viele von uns fühlen Mitleid, und nicht Mitgefühl. Der Unterschied ist aber entscheidend: Wenn wir (Selbst)Mitleid empfinden, leiden wir mit dem, was der andere fühlt oder mit uns selbst. Wenn wir in Selbstmitleid versinken, steigern wir uns in dieses Gefühl rein und lassen uns davon runterziehen. Das heißt, wir bewerten das Gefühl von Anfang an als negativ und fühlen es als schlecht, als Leid. (Selbst)Mitgefühl hingegen ist nicht von Anfang an negativ.

Denn Gefühle sind weder gut noch schlecht, sie fühlen sich nur positiv oder negativ an. Laura Malina Seiler findet eine sehr passende Metapher: Gefühle sind wie ein GPS-System: Sie geben uns Hinweise, um auf den richtigen Weg zu kommen. Genau aus diesem Grund lohnt es sich, dass wir unsere Gefühle wahrnehmen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Es bringt nichts, sie zu ignorieren oder zu übergehen. Wie können wir also mit ihnen umgehen, ohne sie direkt zu bewerten? Achtsam sein und bewusst entscheiden. Dem Gefühl Raum geben, um hochzukommen und dann selber entscheiden, ob wir es annehmen wollen oder nicht.

Den Gefühlen also Raum geben – und das gilt auch für unsere Gefühle im Kontext von Geld. Es macht Sinn für mich, mich auch hier in einem ersten Schritt mit den Gefühlen auseinander zu setzen, die Geld in mir auslösen. Hat es sich gerade gut angefühlt, dass ich eine Summe x für ein tolles Essen ausgegeben habe? Wie fühle ich mich, wenn ich Geld verdiene?

3 Liebe: Den eigenen Wert erkennen

Kann, soll oder darf ich Geld lieben? Womit wir wieder beim Thema wären: Geld oder Liebe – geht nicht beides? Oder gehört es sogar zusammen? Liebe und Selbstliebe im Kontext von Geld hängt stark mit dem eigenen Selbstwertgefühl zusammen. Yvonne beschreibt es so: In dem Moment, in dem wir unseren eigenen Wert erkennen, verändert sich auch der eigene Bezug zu Geld. Der Ausdruck „Geld verdienen“ kommt ja auch nicht von ungefähr. Gedanken wie „Bin ich wertvoll genug, um Geld zu verdienen?“ und „Habe ich das jetzt überhaupt verdient?“ sind Anzeichen für ein fehlendes Selbstwertgefühl.

Seinen eigenen Wert zu erkennen, ist also auch – oder Besonders – im Umgang mit Geld wichtig. Nur wenn ich meinen Wert erkannt habe und ich mit mir selbst im Reinen bin, habe ich auch die Energie, mich mit anderen Themen, wie meinen Finanzen, auseinanderzusetzen. Erst die eine Baustelle, dann die andere. Das ist eigentlich alles logisch, aber trotzdem hilft es, sich das ab und zu vor Augen zu führen. Und bei Beziehungen bzw. Partnerschaften hilft das im Übrigen auch. Den Spruch “Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben” kennst du sicher auch.

4 Aufmerksamkeit: Aufmerksam sein, um zu wachsen

Aufmerksamkeit und Bewusstsein ist oft eine richtige Herausforderung im vorbei rauschenden und routinierten Alltag. Sowohl die Aufmerksamkeit für uns selbst, für unseren Körper, unsere Gesundheit, als auch für den Partner. Kein Wunder! Denn wir leben in einer Welt, in der täglich unzählige Reize auf uns einprasseln. Dann noch aufmerksam zu sein, d.h. sich wirklich nur auf eine Sache zu konzentrieren, ist eine Kunst und braucht Übung.

Etwas weiterzuentwickeln oder zu verändern erfordert aber eben genau diese Aufmerksamkeit von uns. Wir kommen nicht weiter, wenn wir nur passiv sind und abwarten. „Das, wo wir unsere Aufmerksamkeit drauf richten, das wächst“, sagt Yvonne im Interview. Da schießt mir direkt das Bild meiner Chili-Pflanze in den Kopf, deren Samen ich eingepflanzt und mit viel Aufmerksamkeit bis zu den ersten roten Chilis begleitet habe. Und wie es sich mit der Entwicklung dieser Pflanze, meiner eigenen Entwicklung und auch der Entwicklung in der Partnerschaft verhält, so lässt es sich auch hier wieder übertragen auf die Beziehung zu Geld: Dem Thema Aufmerksamkeit schenken, beobachten und negative Sätze wie „Das kann ich mir nicht leisten“ umformulieren in „Was kann ich tun, um es mir leisten zu können?“

5 Tuchfühlung: Ruhig mal anfassen

„Auf Tuchfühlung gehen“ – das ist so ein Ausdruck, den ich oft mit einer Liebesbeziehung oder Romanze verbinde. Dass wir aber auch mit uns selbst immer mal wieder auf Tuchfühlung gehen sollten, das ist für viele (inklusive mich selbst) noch ungewohnt. Sich selbst fragen, wie es einem gerade geht. Also wirklich geht. Dazu gehört auch zu spüren, wie sich der Körper an welcher Stelle anfühlt. Wie geht’s dem Bauch? Wie fühlt sich die Brust an, kann ich sie gut öffnen?

Berühren, anfassen, fühlen, spüren – all das sind so Assoziationen, die mir zum Thema Tuchfühlung einfallen und sich auch auf unseren Umgang mit Geld beziehen lassen: Wann hattest du das letzte Mal Bargeld in der Hand? Wie hat es sich angefühlt? Ich muss zugeben, dass ich kaum Bargeld bei mir trage und wenn immer möglich meine EC-Karte oder PayPal als Zahlungsmittel nutze. Weil es einfach praktisch ist und ich das Gefühl habe, dass das Bargeld, das ich am Automaten abhebe, in Nullkommanichts wieder verschwunden ist. Dabei ist das Bezahlen mit Bargeld so viel bewusster: Man überlegt sich dreimal, ob man das Objekt der Begierde wirklich braucht. Kommt dir das bekannt vor? Dann nimm es zum Anlass, dein Bewusstsein für das Bezahlen mit Bargeld mal genauer zu beobachten. Nutze dazu gerne dieses Money Mindset Journal.

6 Experimentieren: Nicht in Routine erstarren

Ausprobieren, tüfteln, Neues wagen, aus der Komfortzone raus, Neues schaffen – das alles bedeutet Experimentieren für mich persönlich. Bei dieser letzten Säule werden die Parallelen in Yvonnes Konzept nochmal klar deutlich: Im Umgang mit Geld ist es wie in einer Beziehung: Es empfiehlt sich, hin und wieder zu experimentieren, um nicht in der Routine zu erstarren. Wer jetzt denkt: Aber Routinen sind doch gut, sie schaffen Konstanz und Stabilität. Ja, natürlich, Routinen und Rituale helfen im Alltag enorm, sich selbst etwas Gutes zu tun und den Fokus auf das eigene Wohlbefinden zu legen. Wie mit Anspannung und Entspannung ist auch hier eine Balance aus Routinen und Experimentieren entscheidend.

In Kontext von Geld und Finanzen kann das zum Beispiel heißen, einfach mal auszuprobieren, etwas in oder an der finanziellen Einstellung und Situation zu ändern: Sei es, den monatlichen Sparbetrag zu erhöhen, zu reduzieren oder einfach mal zu glauben, dass Geld etwas Tolles ist, also an den eigenen Glaubenssätzen zu arbeiten. Yvonne gibt noch einen alltagstauglichen Tipp: Auch die Art und Weise, wie du an Geld kommst, gehört dazu. Dazu zählen zum Beispiel deine Arbeitszeiten: Probiere aus, wann du am besten arbeitest. Vergiss nicht, dass bei allem Ausprobieren der Spaß und die Leichtigkeit nicht auf der Strecke bleiben sollten. Sei nicht so streng mit dir selbst und trau dich auch mal was!

Apropos Experimentieren: Auch wir machen aktuell unser kleines Money Mindest Experiment, indem wir aufschreiben, wie wir uns bei jeder Ausgabe und Einnahme fühlen. Um unser Bewusstsein zu schärfen. Ich bin gespannt, was die anderen Beiden am Ende des Experiments erzählen.

So wie du dein Geld behandelst, behandelt dich dein Geld. (Laura Malina Seiler)

Das habe ich gelernt: Geld ist neutral und die Beziehung zu mir ist die Basis

Wenn ich diesen Vergleich („Geld wie Partner behandeln“) im Nachhinein betrachte, macht er total Sinn: Eine Beziehung basiert auf Respekt, Wertschätzung und Liebe und erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, auch mal aus der Komfortzone herauszubrechen. Erst wenn wir uns darauf einlassen und unsere Gefühle bewusst wahrnehmen, kann sich eine stabile und starke Beziehung aufbauen. Ein positives und offenes Mindset hilft extrem, um Geld nicht von Anfang an mit negativen Gedanken aufzuladen.

Denn Geld ist per se erst einmal neutral. Geld allein hat keine Macht, sondern erst die Menschen dahinter. Dass Geld oft mit gewissen Emotionen und Erfahrungen (vor)behaftet ist, fängt schon in unserer Kindheit (Intro Artikel Money Mindset: Money was?) an: Wir beobachten, wie unsere Eltern mit Geld umgehen, und verbinden seither positive oder negative Gefühle mit Geld, die sich in unseren Glaubenssätzen manifestieren. (Sowas wie „Geld ist gut, weil wir dann in den Urlaub fahren können.” oder “Geld ist schlecht, weil es Menschen gierig und übermütig macht.”). Jetzt ist es an der Zeit, das zu hinterfragen. Es lohnt sich, wenn du dich mit den Gefühlen, die Geld in dir auslöst, auseinandersetzt.

Vor allem aber habe ich gelernt, dass all diese 6 Aspekte (RELATE) nicht nur im Umgang mit Geld wichtig sind, sondern vor allem in der Beziehung zu mir selbst.

 

Inspiriert durch Podcast Laura Malina Seiler: Moneycoach Yvonne Senn 

Bild: Sam Truong Dan auf Unsplash 


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